ANDY HELLER | 86497 / CA 94103

Eröffnung: Freitag, 30.05.2014, 19 Uhr

Ausstellung: 31.05.– 28.06. 2014

Finissage: Samstag, 28.06.2014, 12–17 Uhr

 

86497 / CA 94103 – eine Notiz zu Andy Heller

 

Abgestellte Einkaufstüten, ein an ein Verkehrsschild angeketteter Reisekoffer, zusammengefal- tete Decken auf dem Gehsteig. Andy Heller beobachtet den urbanen Raum als mobile Skulptur. Die Gegenstände, die sie fotografiert, sind so unspektakulär wie ihre Umgebungen und die Situationen, in denen die Fotografin sie vorfindet. Was sie mit der Kamera erfasst, sind Spuren unsichtbarer Präsenz und der Bewegung ihrer Verursacher – von Menschen, die wohl kurz zuvor erst hier gewesen sind. In Hellers Fotografien wird das Unauffällige zum Offenkundigen, das Gewöhnliche zum Geheimnisvollen.

 

Für ihre Arbeit CA 94103 erkundete die Fotografin 2011 für mehrere Wochen ein Areal innerhalb des gleichlautenden Postleitzahlenbereichs in San Francisco. Das Umfeld unterhalb eines markant im Innern des betreffenden Stadtteils gelegenen Autobahnkreuzes bildete das Zentrum ihrer Beobachtungen. Eine Gegend abseits aller Attraktionen, geprägt von zusammengeflickten Funktionsarchitekturen und einer von Trostlosigkeit getränkten Atmosphäre, ein seltsames Irgendwo, scheinbar bedeutungslos für jeden Besuch. Und gerade deshalb für die Fotografin so ergiebig. Mehrere Wochen war sie hier mit der Kamera unterwegs um das festzuhalten, was sie dann mit Intensität fotografisch zutage förderte: Leicht zu übersehende Objekte, deren eindeutige Zuordnung zu Unrat oder Nutzwert nicht immer klar getroffen werden kann. In einem genutzten Lebensraum fernab des Repräsentativen. (Andy Heller)

 

In ihren fotografischen Streifzügen sucht Andy Heller das Allgemeine im Spezifischen. Es sind die Welten in der Welt, denen sie auf der Spur ist. Im Fall von CA 94103 diejenige von Menschen ohne festen Wohnsitz, die man in den Fotografien selbst nicht sieht, doch deren Hab und Gut durch das Auge der Fotografin als ein Instrument personaler Feldvermessung sichtbar wird. Es ist das Private im Öffentlichen, das Auskunft gibt über das Wesen und die Eigentlichkeit von Orten, Bewegungen, Situationen. Die Gegenstände bewegen sich darin so anonym wie der Verkehr auf der Straße und strukturieren das statische Gerüst urbaner Architektur immer wieder neu, schein- bar geheim, und durch den präzisen Blick der Fotografin doch vor aller Augen.

 

Das gilt auch für Andy Hellers fotografische Expeditionen im ländlichen Raum. In den Fotografien der anschließenden Serie CA 93428 wird dies in unmittelbarer Nachbarschaft zur großstädtischen Topographie San Franciscos genauso deutlich wie in räumen, deren Aufnahmen 2005/06 in Horgau nahe Augsburg entstanden. So unterschiedlich die Orte, gesellschaftlichen Zuordnungen, kulturellen Kontexte sein mögen, so offensichtlich parallel der Charakter des Vorgefundenen: Situationen eines Sich-Umgebens mit Gegenständen als Selbstvergewisserung. Die vorgefunde- nen Dinge wie die Konstellationen ihrer je individuellen Anordnung selbst sind wechselnd von Ort zu Ort, von Person zu Person, von Gesellschaft zu Gesellschaft. Der Drang, sie als Projektion auf das eigene Selbst zu konfigurieren, scheint jedoch ein kulturenübergreifender Modus menschli- cher Selbstbezeugung, eine Manifestation des ‚hier bin ich’.

 

Andy Heller gibt dieser Beobachtung eine eigene ästhetische Form. Ihre fotografischen Reflexionen erfassen Relikte des Alltags zwischen der Sehnsucht nach Halt und Sesshaftigkeit und kontemporärem Nomadentum.

 

Thomas Elsen

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